Agnes Tveit 02 - Todesschlag by Fuglehaug Randi

Agnes Tveit 02 - Todesschlag by Fuglehaug Randi

Autor:Fuglehaug, Randi [Fuglehaug, Randi]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104913377
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2023-04-26T00:00:00+00:00


Agnes hielt sich selbst für offen und unvoreingenommen, doch die Wohnung von Alfred und Tobias war genauso geschmackvoll eingerichtet, wie sie das bei einem schwulen Paar erwartet hatte. In dem langen Flur mit den geschlossenen Türen hing an beiden Wänden Kunst. Weiter hinten öffnete er sich auf der einen Seite zur Küche hin und auf der anderen in ein gigantisches, lichtdurchflutetes Wohnzimmer mit weiteren Bildern an den Wänden und einem schweren Leuchter an einer Stuckdecke. Auf einem Teakholztisch lagen Stapel von Musikbiographien. Nichts wirkte zufällig – und es war alles andere als unordentlich hier. Agnes hatte noch nie eine auch nur annähernd vergleichbare Wohnung in Voss gesehen und hatte plötzlich das Gefühl, in Frogner in Oslo zu sein.

Sie hatte Lust zu bleiben.

Bis sie Alfred sah.

Auf den ersten Blick wirkte er frisch und elegant, wie er da am Flügel saß, barfuß, in einer dunkelblauen Jeans und einem olivfarbenen Wollpullover. Doch seine Augen blickten noch matter als vor ein paar Tagen, als sein Kopf auf der Theke geruht hatte.

»Wie geht es dir?«, fragte Agnes und sah sich in dem makellosen Wohnzimmer um.

Alfred sagte nichts, schüttelte nur leicht den Kopf.

Ihr Blick fiel auf das Hochzeitsbild, das eingerahmt auf dem Fensterbrett stand. Zwei Männer in strahlend weißen Anzügen, zwei Männer mit einem strahlenden Lächeln.

»Es ist Jahre her, seit wir miteinander geredet haben«, sagte sie. »Unvorstellbar, dass ich nicht einmal gewusst habe, dass du verheiratet warst. Wart ihr lange verheiratet?«

Alfred sah auf das Bild und schüttelte den Kopf.

»Seit letztem Frühjahr.«

»Hattet ihr eine große Hochzeitsfeier?«

Er sah aus, als wollte er sich nicht an die guten Zeiten erinnern, und als hätte er auch nicht die Kraft dazu.

»Ich halte das für keine gute Idee, dass du hier bist. Ich … fand nur, dass ich mich bei dir entschuldigen sollte, da ich letztes Mal so unverschämt zu dir war«, sagte Alfred.

Agnes ging zum Flügel, trat neben ihn und legte ihre Hand auf seine. Sie roch den Whisky.

»Du hast gerade deinen Mann verloren«, sagte sie. »Du hast jedes Recht der Welt, so unverschämt und betrunken zu sein, wie du willst.«

Sie sah, wie eine Träne langsam Alfreds Wange hinunterlief. Er schien etwas sagen zu wollen, ließ es dann aber.

Jetzt konnte Agnes nur ihre übliche Taktik anwenden.

Sie schwieg.

Nach einer Weile begann Alfred Rogne zu schluchzen. Die Trauer schien ihn zu überwältigen.

»Ich bin so müde«, sagte Alfred zwischen den Schluchzern. »Ich habe nicht geschlafen seit … Ich vermisse Tobias so sehr!«

Sie strich ihm über den Rücken, ließ den Blick durch den Raum schweifen und sah eine halb volle Flasche und einen Blister Tabletten auf einem kleinen Glastisch in der Ecke. Er schloss die Augen und sackte unter ihrer Berührung langsam in sich zusammen, als hätte ihn bisher niemand umarmt, niemand getröstet.

»Hast du heute Schlaftabletten genommen?«

Er nickte leicht. Hielt zwei Finger hoch.

»Vielleicht willst du dich hinlegen«, sagte sie.

Er antwortete nicht, stand aber gehorsam auf und ging mit schweren Schritten zu dem grünen und sicher sehr teuren Sofa.

»Kümmert sich denn keiner um dich?«, fragte Agnes, als er mit geschlossenen Augen dalag. »Deine Eltern? Oder … dein Bruder?«

»Doch, die kümmern sich sehr«, murmelte er.



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